Schulthemen
Am 15. Juni um 14.00 in der Zeit der Essensausgabe führten unsere jungen Schauspieler und Schauspielerinnen aus den 9. Klassen ihre Szenencollage bei der Schwartauer Tafel auf.
Es war ein heißer Tag. Das sehr unruhige Publikum hielt es teilweise nur kurze Zeit in der Sonne aus. Autos rangierten direkt vor unserer Freiluftbühne, von der Essensausgabe drangen Stimmen, Achtlose schlenderten über die Bühne. Es waren besondere Bedingungen, mit denen unsere Akteure zurechtkommen mussten.
Sehr professionell haben die Kursmitglieder ihre Rollen verkörpert, an denen sie im Vorfeld sehr lange gearbeitet haben. Jede(r) hatte die Aufgabe sich einen Menschen oder eine Figur auszusuchen. Dabei sollten die Schülerinnen und Schüler gerne jemanden aussuchen, der / die ihnen fremd und ggf. rätselhaft vorkam und der ihnen augenscheinlich kaum Anknüpfungspunkte und Identifikationspotenzial bot. In langen Recherchen fanden die Akteure möglichst viel über ihre Figuren heraus, über ihre Sorgen, Bedürfnisse, Träume und Lebensgewohnheiten. Die Schülerinnen und Schüler kamen bald zu dem Schluss, dass ihre Figuren besonders stark von Verlusten in ihrem Leben geprägt wurden. Die Figuren wurden ergänzt durch viele fiktive Elemente; durch Fantasie und Empathie entstanden viele schöne und teilweise skurrile Ideen.
In verschiedenen Szenen trafen die Figuren aufeinander – eine Herausforderung! Wie bringt man
- Angela Merkel
- zwei Obdachlose
- zwei „Streber“
- einen Fischer
- einen Inuit
- eine Touareg
- eine lesbische Fußballtrainerin
- eine computerspielabhängige Außenseiterin
- ein durch die Krankheit der Mutter traumatisiertes Mädchen
- ein hochbegabtes indisches Mädchen
- und Doktor Faust
zusammen auf die Bühne?
Diese Herausforderung hat die Gruppe in wochenlangen Proben gemeistert. Angefüttert mit der Theatertheorie aus verschiedenen Epochen („Frau Stenman, das hätte Brecht doch auch gut gefunden!“, „Das spiele ich jetzt naturalistisch.“), ist aus vermeintlich zusammenhanglosen Teilen ein buntes Patchwork entstanden. Es wurde zusammengehalten von verschiedenen Anknüpfungspunkten zwischen verschiedenen Figuren. So wird Angela Merkel zur Schirmherrin eines Benefizprojektes „Fußball für Obdachlose“, das von der homosexuellen Fußballtrainerin betreut wird. Zwei Außenseiter treffen im Wartezimmer eines Krankenhauses aufeinander und Doktor Faust verliebt sich in die junge, hochbegabte Inderin.
Unsere Fragmente müssen selbst zuende gedacht werden, bruchstückhaft setzen sie sich zu einer Momentaufnahme aus verschiedenen Leben zusammen.
Zurück zur Präsentation. Gegen die Unruhe und Lautstärke anzuspielen, war sehr schwer. Teilweise drangen die Stimmen nicht durch. Niemand aus der Gruppe ist jedoch dadurch aus der Rolle gefallen, alle haben mit großem Engagement gespielt und wurden somit auch mit Applaus belohnt. Eine anwesende Theaterlehrerin einer anderen Schule hat auch immer wieder zwischendurch laut applaudiert. Ihre Lieblingsfigur schien Doktor Faust gewesen zu sein.
Beim anschließenden Gespräch mit der Leitung der Schwartauer Tafel gab es Kaffee und von den Schülern gespendeten Kuchen.
Es war eine besondere Erfahrung, Respekt vor unseren mutigen Schülern.
L. Stenman